Kreuz auf dem Jüberg

Kreuz auf dem Jüberg

Text: Christiane Böhm

Secretplaces am 15.09.2023

Am letzten Freitag war es wieder soweit – ein neuer secret place wurde gesucht, um Gott an einem ungewöhnlichen Ort zu treffen. Eingeladen hatten die CVJM’s Hemer und Deilinghofen sowie die FEG und die Kirchengemeinden Hemer und Ihmert. Dieser Einladung folgten 25 Jugendliche, u.a. auch aus Balve. Nachdem das online-Rätsel gelöst wurde, kamen die Jugendlichen zum Treffpunkt an der Ente am oberen Eingang des Sauerlandparks. Von dort aus ging es zu einer Wiese, wo die Mitarbeiter schon Picknickdecken und andere Sitzgelegenheiten aufgebaut hatten. Jannik Schonefeld moderierte durch den Abend. Nach einem lockeren Aufwärmspiel erzählte Katja Schönenberg vom Friedensbündnis Hemer über ihre Arbeit und machte nicht nur den Jugendlichen Mut, sich für den Frieden einzusetzen. Es wurde gesungen und gebetet. Pauline Amelung brachte in ihrer Predigt zum Ausdruck, dass das Gegenteil von Krieg nicht Frieden, sondern der Friedensdienst ist. Anschließend konnten die Jugendlichen ein Teelicht entzünden und dieses durch den mit Lichtern beleuchteten kleinen Waldweg zur Friedenstaube am Kreuz bringen. Das Kreuz wurde am 20. September 1947 als Erinnerung an das Stammlager (Stalag VI a) von katholischen und evangelischen Kirchengemeinden errichtet. Es ist ein Kreuz der Versöhnung über den Gräbern zur Erinnerung an das Schicksal der Kriegsgefangenen. 2009 wurde das jetzige 7,5m hohe Kreuz, das den Text der Bergpredigt enthält, erneuert.
Nach der beeindruckenden Begegnung am Kreuz konnten sich alle Besucher am bunten Buffet stärken und sich in anregenden Gesprächen austauschen. Als Erinnerung durfte sich jede/r ein give away mitnehmen, das u.a. ein Friedensgebet enthielt.
Der Termin für den nächsten secret place wird rechtzeitig auf den Homepages der Initiatoren veröffentlicht. 

Text aus dem „Schlüssel“, Jg. 2008, Heft 3, auf den Seiten 139 bis 141. Mit Genehmigung der „Schlüssel“-Redaktion

Das Kreuz auf dem Jüberg – Hermann-Josef Geismann

In Anbetracht der Landesgartenschau 2010 in Hemer auf dem Gelände der ehemaligen Blücherkaserne und in ihrer Umgebung wird immer wieder die Frage gestellt:

Bleibt das Kreuz auf dem Jüberg stehen?“

„Ja, das kann ich verbindlich erklären“, meinte Bürgermeister Michael Esken am 3. April 2008 während einer Begehung. Anwesend waren auch die Direktoren der Stadtsparkasse Hemer, Verwaltungsbeamte, die heimische Presse sowie Architekten und Preisrichter für einen Jübergturm von 25 m Höhe, der einen herrlichen Rundblick über das Gelände der Landesgartenschau und Hemer bieten wird.

Der Jübergturm soll in der Achse der Kasernenmitte errichtet werden. Sein Platz liegt weit genug und nicht störend vom Kreuz entfernt. Die Büsche und Bäume auf dem Jüberg sind inzwischen so hochgewachsen, daß das Kreuz von Hemer-Mitte aus nicht mehr zu sehen ist. Das gleiche gilt für Deilinghofen. Nur wenn Besucher über den ehemaligen Truppenübungsplatz am Waldrand des hinteren Jübergs entlangwandern, können sie das Kreuz sehen, betrachten und verharren. Viele Mitbürger tun das, wenn sie dort spazieren gehen.

Das Kreuz hat für Hemer eine besondere Bedeutung. Es wurde 1947 errichtet und geweiht: „Das Kreuz der Versöhnung über den Gräbern“. Damals – wie auch heute noch – gab es in Hemer zahlreiche Begräbnisstätten und Friedhöfe für Soldaten der deutschen Wehrmacht und im Stalag VI A gestorbene ausländische, besonders russische Kriegsgefangene.

Am 23. September 1947 berichtete die „Westfalenpost“ über das Kreuz auf dem Jüberg. In einem langen Artikel wurde über die Errichtung des Kreuzes während eines eindrucksvollen Bekenntnistages berichtet. Die Vorgeschichte wird nicht erwähnt, ist aber nach meiner Auffassung stadtgeschichtlich sehr interessant und wert, dokumentiert zu werden. Ich weiß leider nicht mehr, wer den Antrag auf Errichtung eines Ver-sohnungskreuzes aus Stahl gestellt hatte. In der Öffentlichkeit, besonders in den katholischen Verbänden, wurde immer wieder über ein Zeichen der Versöhnung gesprochen. Im Stadtrat wurde über den Standort debattiert und nach langen Monaten entschieden, daß ein Kreuz am Lamberg (Naumberg), auf der Höhe gegenüber dem Amtshaus, nicht genehmigt werden könne.

Diese Entscheidung brachte heftige Auseinandersetzungen mit sich. Aber über was wurde damals nicht „feurig* diskutiert und entschieden? So standen Schulspeisungen und Kartoffelversorgung im Vordergrund der Stadtratsdebatten. Zunächst trat eine öffentliche Ratlosigkeit ein, und der Ausgang der Debatte „Dann machen wir eben nichts und verzichten!* war stadtbekannt.

Wer schließlich auf den Gedanken kam, das Kreuz auf dem Jüberg zu errichten, weiß ich nicht, aber es ging eine Erleichterung besonders durch die Jugendgruppen des CVJM und der katholischen Jugend in Hemer, als bekannt wurde, daß der Stadtrat die Errichtung des Kreuzes auf dem Jüberg nicht verhindern konnte.

Schnell wurde der Standort auf dem Jüberg festgelegt, die Tiefe und Größe des Fundaments und die Höhe des Kreuzes selbst. Auch spielte der Termin der Einweihung eine Rolle. Das Bauunternehmen Verfuß, Hemer, stellte kostenlos die Ausschachtung und das Fundament fertig. Der Polier dieser Firma, Joseph Bosold, arbeitete mit zwei Hilfskräften ebenfalls kostenlos. Genauso erarbeitete die Lehrwerkstatt Hemer GmbH das Stahlkreuz kostenlos. Es wurde von vielen Lehrlingen auf einem hohen Handkarren mit vier Rädern eindrucksvoll und langsam durch die Stadt gefahren, geschoben und aufgestellt. Zwei seitliche Stangen-abstützungen gegen die Windkraft wurden später errichtet.

Dann endlich kam im September 1947 der Tag der Einweihung.

Pastor Adolf Frommann, Hemer, und Pater Banduwski, Missionshaus Menden, wurden gebeten, Einweihungsreden zu halten. Beide Redner erinnerten daran, daß es noch keine drei Jahre her sei, daß am Fuße des Jübergs, auf dem nun das Kreuz steht, Tausende junger Menschen gestorben seien! Das Kreuz diene als Zeichen der Versöhnung und als das Wesentliche der Christen. Das Kreuz auf dem Jüberg solle aber auch mahnen. Nie wieder Krieg sei eine Parole, die aber auch in den Familien, mit Nachbarn und von Politikern mit Leben erfüllt werden müsse. Krieg dürfe nie wieder ein Mittel der Politik werden!

Nach den eindrucksvollen Ansprachen der beiden Geistlichen wurde für die Gefallenen und die verstorbenen Gefangenen gebetet. Viele tausend Menschen, die von nah und fern gekommen waren, sprachen das Vaterunser mit. Der Posaunenchor der evangelischen Jugend, der schon die Feierstunde mit Beethovens Hymne „Die Himmel rühmen“ eingeleitet hatte, intonierte nun „Großer Gott, wir loben dich“, und alle Anwesenden sangen mit. Fackelträger begleiteten die Geistlichen bis an den Fuß des Kreuzes zur Weihe:

„Das Kreuz ist Zeichen der Versöhnung über den Gräbern der hier in Hemer im Krieg gestorbenen und gefallenen jungen Menschen.“

Dann sprach der Landrat des Kreises Iserlohn, Paul Grote. Er unterstrich die Bedeutung des Kreuzes für den Frieden und mahnte die Jugend, aus der Geschichte zu lernen und nicht mehr radikal zu denken und zu handeln, sondern vor jeder Entschscheidung lange zu diskutieren und immer bereit zu sein, in Sachfragen Kompromisse einzugehen. Die neue Demokratie in Deutschland stehe erst am Anfang und müsse mit Leben gefüllt werden.

Ausführlich würdigte der Landrat das ehrenamtliche Arrangement in Hemer. Er nannte den Gedanken, das Kreuz zu errichten, zutiefst christlich und gläubig. Er dankte den politischen Parteien für den Beschluß, den Herren Josef und Hugo Verfuß sowie dem Polier Joseph Bosold für das Fundament des Kreuzes und Johannes Geismann, dem Leiter der Lehrwerkstatt, und den jungen Auszubildenden, die es hergestellt, transportiert und aufgestellt hatten. Alles war ohne Kosten für die Stadt entstanden.

Die Feier an diesem Samstag im September 1947 endete mit einem Choral des Posaunenchores. Mit Fackeln und Lieder singend verließen die vielen Besucher den Jüberg. Am darauf folgenden Sonntag fand auf dem Friedensplatz an der Parkstraße eine Kundgebung beider Konfessionen statt. Die „Westfalenpost“ vom 23. September berichtet darüber: „Es waren machtvolle Bekenntnisse christlicher Jugend zum gemeinsamen Symbol des Kreuzes und zu Christus.“

Anmerkung der Schlüssel-Redaktion:

In der Chronik der kath. Kirchengemeinde St. Petrus Canisius Westig hinterließ Pfarrer

Bernhard Limper folgenden Eintrag:

21.9.[1947]. Auf dem Parkplatze [Gemeint ist der heutige Friedenspark.] findet eine Großkundgebung der kath. und evgl. Jugend statt. Pater Eliseus aus Weri spricht über das Schriftwort: „Ich bin gekommen, daß sie das Leben haben und daß sie es überreichlich haben.“ Von evgl. Seite spricht der evgl. Jugendpfarrer aus Menden. Es ist eine gewaltige Kundgebung der gesamten christl. Jugend der Stadt Hemer, um zu zei-gen, daß es auch hier noch eine christliche Jugend gibt. Da das Stadtparlament in der Mehrheit sozialistisch ist, macht sich offenbar unter dessen Protection die sozialistische Jugend sehr breit. (…) Am gestrigen Samstag wurde auf dem Jüberg ein großes Kreuz errichtet. In dieser Kundgebung sprach Herr Pater Banduwski aus Menden.

Auch unsere Jugend nahm an der Veranstaltung geschlossen teil. Ein Kreuz auf dem Lamberg zu errichten, wie es ursprünglich geplant war, wurde von der Mehrheit der Stadtväter (…) abgelehnt.

***

Es ist wünschenswert, anläßlich der LaGa 2010 das weitgehend zugewachsene Kreu. freizustellen und zu überarbeiten. Sinnvoll ist es außerdem, eine Inschrifttafel anzu bringen.

– mi –

Ende Text aus dem „Schlüssel“ Beitrag

Augenzeugen Bericht von Christa Grigat niedergeschrieben von Christian Saalborn

Nie wieder Krieg

mit dieser Einstellung haben wir Christen das Jüberg Kreuz aufgestellt. Mein Name ist Christa Grigat und am 23.09.1947 war ich 14 Jahre alt. Ich war Konfirmandin zu der Zeit und ich erinnere mich, dass wir mit vielen Jugendlichen z.B. aus dem EC auf den Jüberg zogen und das Kreuz aufgestellt haben. Wenn ich aus der Zeit berichte, sage ich, dass am 08.05.1945 meine Kindheit zu Ende ging. Danach ging es hauptsächlich ums überleben. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen, mit welcher Not wir zu kämpfen hatten. Unser Haus war beim Artilleriebeschuss so zerstört worden, dass wir nicht mehr drin wohnen konnten. Die Wände vom Wohnzimmer unser Wohnung im 1. Stock waren weggebrochen und man sah von außen den Teddy meiner kleinen Schwester noch auf dem Sessel sitzen. Neben der Wohnungsnot war da die Sorgen um das tägliche Essen. Es war wirklich ein Kampf ums überleben. Mir wurden z.B. als ich in der Schlange für die Lebensmittelausgabe stand 2 der 4 Lebensmittelkarten geklaut, so dass wir nicht genügend Lebensmittel für unsere Familie bekamen. Diese schwere Zeit hat uns alle geprägt und wir wollten wirklich „Nie wieder Krieg“. Auch unter dem Eindruck, was für unterhalb des Jübergs passiert ist, war die Einstellung passend. Im Stalag sind viele Menschen gestorben, wurden krank und litten an Hunger. Selber habe ich gesehen wie ehemalige Gefangene die Mülleimer nach Essbaren durchwühlten. ( Anmerkung Christian Saalborn laut Wikipedia sind 200.000 durch das Lager geschleust worden. Es sind über 23.000 Menschen umgekommen ). Viele von uns wollten sich einsetzen, dass nie wieder Krieg herrschen würde. Eigene die ich aus dem EC kannte gingen später ins Rhaue Haus nach Hamburg um sich als Diakon ausbilden zu lassen. Ich selber bin später Diakonisse geworden.